Das Reetdach

Als Eindeckungsmaterial wird Reet auf Föhr schon seit dem Mittelalter genutzt. Zu dieser Zeit bestanden die Hauswände zum größten Teil noch aus Grassoden und der Dachstuhl ruhte auf Ständern im inneren des Hauses, und nicht wie heute auf der Außenwand.

Ausgedehnte Reetvorräte in der noch nicht entwässerten Föhrer Marsch legten die Verwendung als Baumaterial nahe. Um dem Wind möglichst wenig Angriffskraft zu bieten wurde das Dach als tief herabgezogenes Krüppelwalmdach ausgeführt. Eine Dachneigung von 45 Grad ist Voraussetzung für Haltbarkeit und Funktion dieses Weichdaches. Die starke Dachneigung soll eine Herabsetzung der Wärmedämmwirkung, und eine Fäulnis verhindern, da das Regenwasser schnell abfließen kann. Das Reet ist Dachhaut und Wärmedämmschicht in einem. Es wirkt regulierend auf das Kleinklima innerhalb des Hauses.

Der Dachdecker (fries. "driiwer") beginnt mit seiner Arbeit an der Traufe. Auf den untersten Latten werden Reetbunde mit ausgesucht dünnhalmigem Rohr mit den nach unten gerichteten Enden nebeneinandergelegt. Ihre Bindungen werden gelöst, und das Deckmaterial wird in Schichten gepackt, so daß die Enden den geforderten Dachpüberstand bilden. Während ein Mann das Reet herbeischafft, verarbeiten zwei Männer das Material, der Dachdecker außerhalb und der Gegennäher als Helfer innerhalb des Daches. Der Dachdecker sticht die früher mit Kokostau oder heute mit Stahldraht eingefädelte lange Nadel durch die Dachhaut unterhalb der Dachlatte. Der innen stehende Helfer zieht den Draht in seiner ganzen Länge heraus und fädelt ihn in die oberhalb der Latte wieder eingestochene Nadel ein. Nun zieht der Dachdecker wiederum den Draht in der gesammten Länge heraus und befestigt ihn mit einer Drahtschlinge. In dieser Weise arbeitet er Lage für Lage bis zum First.

Das beste, nicht zu dünnhalmige, aber gerade und drahtig gewachsene Reet muß an der Obertraufe und an den Giebelkanten verwendet werden, überall dort wo der Sturm Angriffsflächen findet. Da die Kehlen eine flachere Neigung als das übrige Dach haben, müssen sie die 1,5 fache Stärke der normalen Dachfläche aufweisen und sind auszurunden. Der First als oberster Punkt des Daches stellt ein besonders kritisches Detail dar. Die Abdeckung des Firstes mit Dachpappe (Bitumendachbahn) und Grassoden oder Heidekraut gewährleistet eine dauerhafte Sicherung des Firstes gegen Sturm und Regen. Sachgemäß erstellte Reetdächer halten mindestens eine Generation.

Die Lebensdauer des Daches ist abhängig von der Dachneigung und der Himmelsrichtung. An der Süd- und Westseite (Windrichtung, Sonneneinstrahlung) hält das Dach 40-50 Jahre, an der Nord- und Ostseite bis zu 100 Jahre.